„Jeder Tote ist ein Toter zu viel – mit diesem Argument rechtfertigen nicht wenige die Corona-Maßnahmen. Wörtlich und allgemein genommen ist dieser Satz Ausdruck einer enormen Hybris. Anzustreben, einmal nicht sterben zu müssen, also den Tod zu besiegen, ist die totale Anmaßung, ist ein Sich-hinwegsetzen-Wollen über das Naturgesetz schlechthin, nämlich darüber, dass alles was, lebt, auch einmal sterben wird. Nun meint, wer so (s.o.) redet, es wahrscheinlich so: Jeder vermeidbare oder vorzeitige Toter ist ein Toter zu viel. Und in den Augen der Corona-Maßnahmen-Befürworter (CMBs) wäre das vorzeitige Sterben vieler schwer an Corona Erkrankten vermeidbar und müsste auch mit allen Mitteln vermieden werden müssen. Doch selbst absolute CMBs würden irgendwann die Verhältnismäßigkeit der „Mittel“ in Frage stellen. Trotz Maske und Durchimpfung ein Jahr lang keinem Menschen näher als 5 Meter kommen zu dürfen – der nahezu absolute Coronaschutz – das werden auch hardliner nicht fordern. Ab irgendeinem Punkt wird jeder sagen, dass die Mittel zu weit gehen und gewisse Risiken eingegangen und auch Corona-Tote in Kauf genommen werden müssen. Die Frage ist: Wo ist dieser Punkt erreicht? Um etwa im Straßenverkehr Tote zu vermeiden, könnte man das tempo auf Autobahnen auf 100 km/h (und warum auch nicht auf 80 oder 60 km/h begrenzen und überall innerorts auf 30km/h festlegen. Man könnte bei Fahrradfahrern zwingend die Helmpflicht vorschreiben usw. Man könnte so viel tun, um vorzeitiges Sterben zu vermeiden. Das aber ist mit vielen Gesetzen und mit viel Unfreiheit verbunden – und überdies mit Kosten. Eine Gesellschaft und letztlich jede/r einzelne kommt nicht umhin, abzuwägen und sich zu fragen: Wieviel Sicherheit einerseits und wieviel Freiheit andererseits wollen wir haben? Nicht vernünftig wäre es, die Sicherheitsmaßnahmen als auch die Freiheitsbestrebungen auf einem bestimmten Feld zu übertreiben und auf einem anderen Feld jedoch sehr zu vernachlässigen. Dass wir nach wie vor den Gott, der Wachstum heißt anbeten, was letztlich nicht nur die Natur, sondern auch uns selbst schädigt und krank macht (Krebs), ist solch ein Vernachlässigung unserer Sicherheit bzw. Gesundheit und führt zu vorzeitigem Tod. Die zunehmende Digitalisierung und Technisierung führt immer mehr zu einer sitzenden und körperlich untätigen Lebensweise, was aber für unsere Gesundheit und um nicht vorzeitig zu sterben dringend geboten wäre. Mich bewegt, wenn in einer Gesellschaft (vor allem auch von unseren Politikern und Medien) aus welchen Gründen auch immer auf ein Sicherheits- oder Gesundheitsthema der ganze Focus gelegt wird, andere und vor allem langfristige Gesundheitsthemen kaum in den Blick genommen werden. Ebenso bewegt mich, dass ich, der ich obigen Satz in Frage gestellt habe, beinahe schon als Corona-Leugner gelte. Und am meisten bewegt mich, dass Leute, die einmal in Sachen Corona einen bestimmten Standpunkt eingenommen haben, den auch nicht mehr hinterfragen. Täusche ich mich oder ist es wirklich so, dass viele sich schon gar keine anderen „Nachrichten“ mehr antun außer denen, die sie in ihrer Meinung bestätigen. Und da ist dann leicht auch nur eine Diskussion schon eine Diskussion zu viel. |
geschrieben von Frieder Vogt, 16.07.2021